Luftfische: Roman by Velmeke Anke

Luftfische: Roman by Velmeke Anke

Autor:Velmeke, Anke [Velmeke, Anke]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406462061
Google: LAsxVKwf9UIC
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2000-02-14T23:00:00+00:00


Als die Mutter der Frau zu Besuch kam, wurde das Wetter weder besser noch schlechter, es blieb, wie es war, das gleichbleibendste aller Wetter, das große Einheitsgrau der Siebziger, das jeden Sommer einfärbte; Sommer im eigentlichen Sinn gab es nicht, und das Erscheinen der Fraumutter änderte daran nichts.

Im Wagen wurde es eng, obwohl der Mann jetzt oft mit dem Benz herumfuhr, aber die Fraumutter war von einiger Leibesfülle; sie besetzte den freigewordenen Raum sofort bis an seine Grenzen und darüber hinaus. Die anderen, die Frau und die Kinder, wichen nicht etwa zurück, sondern versuchten ihrerseits, mehr Platz für sich zu erobern, ein paar Zentimeter Sitzbank, den Vortritt im Gang. Man wand sich nicht mehr umeinander herum, sondern kam sich in die Quere, quetschte sich durch, schubste oder schob die störenden Körper beiseite, es kam zu Zusammenstößen, wenn nicht gar zu Grobheiten.

Als Lene und Paul z.B. gleichzeitig nach derselben fast vollen Colaflasche griffen, die zuvor lange Zeit als Monument, braunschwarz und wie gemeißelt, auf dem Küchentisch gestanden hatte, ließ keiner von beiden los. Ein Tauziehen begann, Paul zog am Flaschenhals, Lene an der Taille und rechnete nicht mit Pauls geringem Widerstand, jedenfalls ging die Flasche zu Boden, traf dumpf auf, ohne zu zerbrechen. Das war typisch, kein Platzen, keine Entladung, die Spannung blieb, als hielte die Enge des Wagens, vielleicht durch den hohen Luftdruck, die Flasche zusammen. Einzig die Limonade lief aus, am nicht ganz geschlossenen Deckel vorbei, und Lene hob die Flasche nicht auf, sah zu, wie das sprudelnde Braun in den Teppich sickerte, der triefte, tagelang patschte es, wenn man dort hintrat, wie im Moor. Niemand sagte etwas dazu, auch als die Stelle zu kleben begann und man sie meiden mußte, auch als die Mutter der Frau mit einem Schwamm in der Hand dort am Boden kroch und mit ihrem ausladenden Hintern den Durchgang blockierte. Da mußten die anderen wirklich lange Schritte machen, um sich im Wagen noch bewegen zu können, und setzten die Füße scharf neben dem Graukopf auf. Paul klebte ihr bei der Gelegenheit eine Prilblume aufs Hinterteil, die sie nicht entfernte, vielleicht gefiel sie ihr, und sie paßte ja auch zu ihr. Es war rührend, sie zum Waschhaus stapfen zu sehen, sehr resolut, eine Trümmerfrau, die rotblaue Blume hin und herwiegend im Kittelgrau wie eine Markierung des Darmausgangs.

Niemand wußte, warum sie zu Besuch gekommen war, aber als man darüber nachzudenken begann, verschwand sie auch schon, packte im Morgengrauen ihren karierten Koffer, sagte, es sei wohl besser so, und ging.

Die Welt machte einen auf schick, hatte sich Blau in den Himmel gemalt, Geglitzer aufgetupft; das Meer war verjüngt, geglättet, prall, der Horizont in die Länge gestreckt, und Wellen ließen sich nur mit der Lupe erkennen, zumindest vom Deich aus, auf dem sie gingen, Lene, die blinzelnden Typen.

Hier draußen am hellichten Nachmittag wirkten sie dunkel, trugen die Waschhausdämmerung mit sich, sie war ihnen auf die Leiber gepinselt, die scharf umrandet waren, wenn Lene sich zu ihnen umblickte, die Schatten nur kurze Stümpfe.

Gurke setzte seine Sonnenbrille auf, Ali entblößte seinen haarigen Bauchnabel.



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